Details
- Beginn:
- 10. April 2025,
- 19:00 Uhr
- Ort:
- Kosswigsaal des Instituts für Zoologie, Martin-Luther-King-Platz 3, 20146 Hamburg
- Vortragender:
- Prof. Dr. Wolfgang Franke
- Kategorie:
- Allgemeine Veranstaltungen
Zusammenfassung
Das Variscische Orogen: die „United Plates of Europe“
Seit mehr als 150 Jahren (dem Beginn der Industriellen Revolution) wird das Variscikum mit einer ständig wachsenden Zahl von Methoden untersucht. Das Orogen ist aus einem breiten und drei schmalen Ozeanen hervorgegangen, die sich am Nordrand von Gondwana vom Ordovizium bis zum Devon geöffnet und (von S nach N) vom Mitteldevon bis Unterkarbon geschlossen haben. Dabei sind aus den drei jüngeren, schmalen Ozeanen eigene Gebirgsgürtel entstanden (Galicisch-Moldanubische, Saxothuringische und Rhenohercynische Zonen). Der älteste und breiteste (Rheische) Ozean hat kein Teilorogen hinterlassen; die Ursachen sind erst in den letzten Jahren verstanden worden. Die Schließung der variscischen Ozeane hat die Bildung des Superkontinents Pangäa vollendet.
Die variscischen Teilorogene lassen sich von Portugal bis Polen und von Iberien in die Böhmische Masse korrelieren: so lassen sich z.B. die unterkarbonischen Flysch-Grauwacken der Rhenohercynischen Zone von der portugiesischen Algarve über SW-England, Schiefergebirge und Harz bis nach Oberschlesien verfolgen. An den Fortsetzungen im Balkan und der nördlichen Türkei wird gearbeitet.
Dieses einfache Bild wird kompliziert durch Gebirgsbögen (Ibero-Armorkanischer und Böhmischer Bogen) und riesige Blattverschiebungen spitzwinklig zu den Plattengrenzen, die Gondwana und seine vorgelagerten Inseln gegenüber Laurussia nach Westen verfrachtet haben.
Das Variscische Orogen ist – verglichen mit Alpen und Kaledoniden – ein „heißes Orogen“ mit vielen Granit-Intrusionen und Hochtemperatur/Niederdruck-Metamorphiten. Ein großer Teil dieser Hochtemperatur-Prozesse zeigt aber keine Wanderung (wie sie bei rein plattentektonischen Prozessen zu erwarten wäre), sondern ein breites Altersspektrum von ca. 360–270 Mio. Jahren (Karbon-Perm). Dieses Spektrum ist in ganz Europa (auch außerhalb des variscischen Orogens) anzutreffen. Heute ist klar, dass Europa zu dieser Zeit über einer thermischen Anomalie an der Kern/Mantel-Grenze gelegen hat, der Plume Generation Zone „TUZO“ (nach Tuzo Wilson). Die thermischen Auswirkungen dieser ortsfesten Anomalie überlagern sich den wandernden plattentektonischen Prozessen.